TU Elektroakustische Musik hören 19.6.

 VM Programmtexte


Daydream Mechanics V Sketch 3
Jean Detheux, Bild
Michael Oesterle, Musik
12´10´´

Der Anlaß für Daydream Mechanics V Sketch 3 war zufällig. Während der Abschlußarbeiten zu Liaisons mit dem Komponisten Jean Derome (NFB Studios Montréal) lud er mich zu einem Konzert mit dem Bozzini-Quartett ein. Eines der gespielten Stücke war Daydream Mechanics V, komponiert von Michael Oesterle. Diese Musik begeisterte mich derart, dass ich mir sofort die CD kaufte, nach Hause ging und mich entschloss, mit ihr zu spielen um zu sehen was für Bilder sie entstehen lässt.

Mir war nicht klar, womit ich beginnen sollte. Schliesslich startete ich mit ein paar Bildern aus Liaisons (sie sind Leitmotive). Ich schuff eine 12 Minuten dauernde Animation in weniger als drei Wochen. Ich schlief kaum. Diese Musik beherrschte mich. Die Animation war zunächt sehr grob und es dauerte mehrere Monate, um sie schliesslich zu einem endgültigen Resultat zu bringen.


Graveshift, 2004
Arie Stavchansky, Animation
Per Bloland, Musik
4´55´´

Durch das Regen streifende Fenster eines Café, erfolgt die Beobachtung einer Strassenszene, die digital in ein fließendes Chaos transformiert wird, die die Paranoia, gespenstiche Gestalten und Veränderungen der Wirklichkeit einschließt. Echos eines vergessenen Liedes liegen über dem Milieu, mal zusammenhängend, mal fragmentarisch. Es ist ein Bild, geprägt von Verdrehungen, aber diese Verdrehungen vollziehen sich in Ruhe und ziehen sich wieder in sich selbst zurück. Graveshift wurde konzipiert als eine übergreifende Zusammenarbeit von Video, Tanz und Musik. 


SEEK ASSISTANCE, 2005
Vishal Shah, Animation
Adam Stansbie, Musik
3'03´´

Seek Assistance ist ästhetisch ein dunkler Mythos, der als Geräusch und Störung projeziert wird, der sich mit Faszination und Geheimnis verstärkt. Die genaue Untersuchung von Mikromaterialien wird durch verwickelte Beleuchtungseindrücke reflektiert, die dem  Subjekt auf die Augen zu drücken scheinen. Dieses Zusammenspiel zwischen Sicht und Klängen erhält das Subjekt zunächst nur als Andeutungen auf die Makroformen, die exsistieren, wenn das Licht vorüber, über den Klang hinaus und schließlich den physikalischen Rahmen transzendieren.

Seek Assistance (Anm:Fehlermeldung in London Tube) führt uns zum Startpunkt einer U-Bahnfahrt, wenn unsere gültige Fahrkarte (von der automatischen Kontrolle) zurückgewiesen wird. Das System verweigert somit unseren Zugang. Dieses Werk wurde komponiert in präziser Editierung, deutlicher Konfigurationen abstrakten Lichtes, Form und Bild mit Andeutung des erzählenden Konfliktes. Es gibt eine feste und nicht zusammenhängende Ökonomie beim Werk, innerhalb dessen Klang und Bild kreuzweise das Gesicht des anderen pulsieren (beide Gesichter sind  echt, eines davon wurde durch Licht projeziert). Visuell gibt es starke Andeutungen auf frühere Modernisten des Kinos und der Fotographie, Man Ray, Rodchenko und Moholy Nagy, sie erscheinen als mögliche Referenz entsprechender visueller Formen, die einer Welt des kommerziellen Videos entstammen. Wir sind zurückgelassen in einem Zustand einer Fahrt, unterwegs zu sein, kombiniert mit Unterbrechung und Umleitung. Das ist der Platz, wo das Subjekt sowohl komponiert, als auch ungetan bleiben kann.


Discord: metal and meat, 2006
Stephan Larson
5´ 07´´

Discord: metal and meat ist eine abstrakte Geschichte über den Konflikt zwischen den beiden Mächten Metall und Fleisch. Dieser kann aber auch metaphorisch als Konflikt zwischen Mensch und Natur gesehen werden. In einem solchen Konflikt kann eine Macht eine Weile die andere beherrschen, aber Widerstand wird sich formieren und es führt erneut zum Kampf. In diesem Kampf wird die Natur als Sieger hervorgehen.           


Matrix of  prime numbers (UA)
Hans Mittendorf
2´55´´

‘Matrix of prime numbers’, ist eine Komposition, die sich in ihrer Entwicklung auf die natürliche Verteilung der Primzahlen bezieht.  Man könnte sagen, das es sich um eine Komposition handelt, die die  Verteilung der Primzahlen zweidimensional anwendet und somit die statistische Struktur  der natürlichen Zahlen zur Grundlage hat.

In der Vertikalen wurden die Primzahlen auf Frequenzen gelegt, die dann später auf Töne übertragen wurden. So wird die Primzahl 29, zu 29 Hertz oder A#.  Entsprechend entwickeln sich dann auch die Harmonien.

In der Matrix ist der erste Ton das neunundzwanzigste Achtel, wobei die Primzahlen 2,3,5,7,11,13,17,19,23 als Percussionsklänge notiert wurden. Somit schlägt das Schlagzeug alle Primzahlen von 2 bis 179, als horizontale Dimension als Zeitort und die Instrumente als den Tonort. Somit ergeben sich Zeit-ton-ort Koordinaten.


Ryum (UA)
Hiromi Ishii
5´35´´

Die Konzeption dieser Komposition war ein Stück zu schaffen, wobei Bild und Klang eng verknüpft sind im synästhetischen Sinne.

Das Klangmaterial entstammt der japanischen Hofmusik gagaku und dem Noh-Maskentheater. Die Visualisierung von Ryum hat eine enge Beziehung zu dieser Musik. Die Ideen der Struktur wurden durch die japanische Textilindustrie inspiriert, die eine lange Geschichte in der Herstellung originaler Stiltextilien hat und die von den ausführenden Gagaku-Spielern gleichermassen wie von den Noh- Darstellern für die Herstellung ihrer Kleidung gefragt waren. Die visuelle Struktur entwickelt sich allmählich von unscharfen nebel-ähnlichen Motiven zu konkreten Textilmotiven und pendelt zwischen diesen beiden Charakteren hin und her, bis es schliesslich zu den nebeligen Motiven des Anfangs zurückkehrt. Die Transformation der Struktur hat den Charakter langsamer und schwebender Bewegung, wobei die Sequenzen lang und kontinuierlich sind.

Der blasse Pastellfarbton schafft visuellen Zusammenhang, der von Farben des Himmels und der Wolken abgeleitet wurde. Mit anderen Worten, dieser Farbton wurde der Natur entnommen. Nur eine enge Palette von Modifikationen und dunklem Licht wurde von Zeit zu Zeit angewandt, um Akzente zu setzen. Es ereignen sich aber keine dramatischen Farbwechsel, um die geschaffene Spannung subtiler Wechsel und Transformationen zu bewahren.


Rain, 2005
Rebecca Ruige Xu, Animation:
YanJun Hua, Musik:
3´34´´

In Rain wollte ich die Spannung unter der Oberfläche des Regens zeigen, der äußerlich ruhig und harmonisch aussieht und ein bekanntes Phänomen für alle ist. Die Musik, die ich ausgewählt habe, wird Da Lang Tao Sha (Great Waves Washing Away the Sand) genannt, ein chinesischer Klassiker, komponiert von YanJun Hua (1893-1950), der ein blinder Musiker gewesen sein soll. Das Instrument ist eine Pipa, eine viersaitige Laute mit Bünden, bekannt für ihren verzweifelten und dramatischen Stil, oft benutzt um historische Schlachten lebendig darzustellen. Der visuelle Stil wurde inspiriert von chinesischen Aquarellen. Die Animation wurde mit dem Computer Programm (C + OpenGL) generiert, um die Bewegung des fallenden Regens zu interpretieren. Regentröpfchen wurden zu einfachen geometrischen Formen reduziert, in Erwartung, dass der Betrachter dem aufbauen und entspannen der immensen Spannung des Regenprozesses seine Aufmerksamkeit widmet.


I´ve got a guy running, 2006
Jonathon Kirk
7´12´´

I´ve got a guy running benutzt ein Originalvideo der Bodentruppen des Irakkrieges, das vom U.S. Verteidigungsministerium veröffentlicht wurde.

Geschaffen vom digital verarbeiteten Video, erforscht das Stück die Behauptung, dass der Krieg ein rein visuelles Phänomen geworden ist.

Simulation, Medienverzerrungen, Gleichzeitigkeit, das Auftauchen der Hochgeschwindigkeit, flüchtige Technologien wechselten permanent die Erfahrung des Kriegsschreckens, ausgenommen natürlich für die Verletzten oder Ermordeten.


AUTARKEIA AGGREGATUM, 2005
Bret Battey 
9´20´´

Autarkeia Aggregatum ist eine integrierte Klang- Bild- Komposition, die unaufhörlichen Fluss und Transformation betont. Es gibt keine Unterbrechungen oder Einfügungen im visuellen Bereich, der sich nicht ständig entwickelt, sondern dessen Animation auf mehr als 11000 Pixeln beruht. Beim Suchen des Titels wand ich mich der Monadologie zu - der Theorie des Philosophen Leibniz über die fundamentale Realität der Partikel (Monade). Folgende zwei Termini hielt ich für geeignet: Autarkeia (griechisch) für selbstgenügend und Aggregatum (lateinisch), was verbunden oder vereinigen bedeutet. Die Termini zusammen deuten besonders auf eine Anhäufung der Aktivitäten autonomer Einheiten. Sanfter ausgedrückt, eine Resonanz mit Klassizisms zog mich zu diesen Worten. Die Resonanz ist eine innere Fülle des Seins, ausgedrückt in elegant selbst-genügender Zurückhaltung.


Erev Shel Shoshanim / Kate and Rose's, 2007
Nathaniel Resnikoff, Visualisirung
Heathen Creek, Musik
5´42´´

Zwei traditionelle Melodien von Heathen Creek werden gespielt und verarbeitet. Die feine Struktur der Melodien der Solo-Geige wird durch die Visualisierung offenbart. Eine visuelle Dimension zur Musik kann die Ohren zum Klang hinführen und die musikalische Struktur aufzeigen. Ich erwarte, dass dadurch der Eindruck der Musik beim Publikum verstärkt wird. Die Bilder sind mathematische Darstellungen der Audiodateien. Wie Elektron-microscopy zeigt sie eine wunderschöne Welt, die noch wenig bekannt ist, aber in der Musik schon exsistiert.


Kyotobells, 1994/ 2006
Wilfried Jentzsch
10´ 48´´

Dieses Stück basiert auf der Verarbeitung einer kleinen japanischen Glocke „Furin“. Es beginnt mit einem Einzelton, der die musikalische Struktur allmählich dichter werden lässt und schließlich zum Geräusch führt. Die vielfältige Verarbeitung der Klänge bildet eine Brücke zwischen diesen beiden Komponenten, Einzelton und Geräusch.

Ein weiß-blaues Viereck strukturiert geometrisch den visuellen Part. Die Energie und die Spektren der Klänge modifizieren die Gestalt und den Helligkeitsgrad der Farbe, deren Transformationen in Echtzeit generiert wurden.


Destellos (Sparkle), 2001
Elsa Justel, Musik, Bild und Animation
5´37´´

"Wie in einer Träumerei, die Objekte von ihrer Bedeutung getrennt, um Poesie zu werden".

Dem Glitzern verschiedener Materialien Leben zu geben, ist die Idee des Projektes. Durch das Mittel der Computeranimation werden Metall, Gläser und Eis durch Zeit und Raum reisen. Es gibt auch ein Spiel mit der Empfindung der Zerbrechlichkeit und Durchsichtigkeit. Die Musik spielt aufgenommene Klänge der gleichen Materialien. Tatsächlich, der Verlauf wird von der Musik geleitet, die die zeitliche Entwicklung bestimmt und die Wahrnehmung der Farbe unterstreicht. 


¿Te Acuerdas Hijo? 2006
Do You Remember Son?
Rajmil Fischman
16’40”

¿Te Acuerdas Hijo? ist meinem Vater Alberto Fischman (1920-1983) in Errinnerung gewidmet.

Der im Video erscheinende Text wurde dem Anfang des mittelalterlichen spanischen Gedichts “Coplas on the Death of My Father” von Jorge Manrique (1440-1479), entnommen. Die Übersetzung von Henry Wadsworth Longfellow lautet:

"O let the soul her slumbers break,
Let thought be quickened, and awake;
Awake to see
How soon this life is past and gone,
And death comes softly stealing on,
How silently!"

Die Übersetzung der gesprochenen Worte bei Minute 9 sind folgende:

Erinnerst du dich Sohn?
Hier sehe ich dich auch...


White Noise, 2007
Dennis H. Miller
9´45´´

White Noise ist ein sich schnell entwickelndes Werk, wobei der Fluss der Ereignisse sich konstant spaltet. Der Titel Weißes Rauschen entstammt sowohl der Verwendung als Mittel um visuelle und musikalische Elemente zu generieren, als auch die Farbpalette im zentralen Teil des Werkes hervorzuheben. Mit der konstant bewegenden Perspektive und dem abrupten Nebeneinander der Elemente beabsichtigt White Noise Reflektionen des Chaos hervorzurufen, die den Alltag durchdringen.


Mugenkei (UA)
Jean Detheux, images
Wilfried Jentzsch, music
5´30´´

Jean Detheux schreibt:

Jentzsch´s Musik ist wie ein Tsunami. Sie überfällt den Zuhörer in einer unausweichlichen Weise. Entspannendes bringt sie aber auch nach dieser mächtigen Invasion, als ob man gereinigt entlassen würde, lebendig. Der Film versucht dieses Experiment sichtbar zu machen, ohne irgendwelche anektodische Bedeutung. Er erforscht den "poetischen" Raum, der "zwischen" Bildern und Klang entstehen kann/ sollte, einen Raum der so leicht flach/zerstörerisch werden kann, oder sich als belanglos erweist. 

Wilfried Jentzsch schreibt:

Den Ausgangspunkt bilden Klänge, die in Bali aufgenommen wurden. Es sind natürliche Klänge wie gesungene Frauen- oder Männerstimme, Metallinstrumente, die den indonesischen Gamelan bilden.

Detheux´s Visualisierung wurde  von der Natur inspiriert. Die Bilder überlagern sich in mehreren Schichten, in Form, Gestalt und Farbe variierend. Durch die große Dichte der Bildsequenzen  tritt die Wahrnehmung des Gegenständlichen zurück. Der Prozess des "Entstehens" und "Auflösens" ist charakteristisch, der  Ausdruck von Traum  (mu),  Illusion (gen) und Landschaft (kei) ist.


Übersetzung: Dr.phil. Hiromi Ishii