Nachruf Klaus Ebbeke

Klaus Ebbeke ist tot. Am 14. Oktober 1992 setzte er seinem Leben, das durch die unheilbare Krankheit Aids nicht mehr lebenswert schien, ein Ende. Der von ihm als ein letztes Wort gedachte Text von Paul Celan

„DU SEI WIE DU, immer. Stant vp Jherosalem inde erheyff dich.
Auch wer das Band zerschnitt zu dir hin, inde wirt erluchtet knüpfte es neu, in der Gehugnis,
Schlammbrocken schluckt ich, im Turm, Sprache, Finster-Lisene, kumi ori. "

weist auf das Inferno seines Zustandes und zugleich auf seine intellektuelle Stärke hin.

Am 16. November fand in Berlin eine Trauerfeier für Klaus Ebbeke statt, bei der in musikalisch würdigem Rahmen (Musik von Bach, Reger und Messiaen) seiner Persönlichkeit gedacht wurde.

Er war unter den deutschen Musikwissenschaftlern ein insofern einzigartiger Mensch, als er sich nicht nur mit zeitgenössischer Musik „beschäftigte“, sondern in ihr aktiv und schöpferisch lebte und darüber hinaus wie kein anderer ein Fürsprecher der Elektroakustischen Musik war - kein Anbeter der Technik etwa, sondern ein neugierig in die Zukunft Sehender und Hörender. Es möge sein Schaffen selbst für das sprechen, was damit gemeint sein könnte.

Klaus Ebbeke wurde am 25.9.1957 in Minden (Westfalen) geboren. Er machte 1976 sein Abitur und bestand noch im selben Jahr die Prüfung für das Kirchenmusiknebenamt (C-Prüfung) an der Kirchenmusikschule Herford. Der Militärdienst blieb ihm wegen seiner starken Kurzsichtigkeit erspart. Im Wintersemester 1976/77 nahm er das Studium an der Freien Universität Berlin auf mit den Fächern Musikwissenschaft (Rudolf Stephan, Klaus Kropfinger, Reinhard Knapp), Philosophie (Karlfried Gründer, Hannes Böhringer), Kunstgeschichte (Eberhard König) und Mathematik.

Klaus Ebbeke promovierte im Sommer 1984 bei Rudolf Stephan mit der Arbeit „Studien zum Spätwerk Bernd Alois Zimmermanns“. Daran anschließend konnte er 1985/86 mit einem Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Verzeichnis der Werke und Schriften Bernd Alois Zimmermanns erstellen (noch nicht abgeschlossen). Bereits seit dem Sommersemester 1984 hatte ihn die Technische Universität Berlin mit dem Lehrauftrag „Geschichte der Elektroakustischen Musik“ betraut (bis 1990). Seit 1989 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Musikabteilung der Akademie der Künste Berlin (Hanseatenweg) im Archiv angestellt. Er hat bestimmt, daß sein Nachlaß (eine beachtliche Bibliothek auch mit Partituren und Tonträgern) der Akademie übereignet wird. Klaus Ebbeke gehörte im April 1991 zu den Gründungsmitgliedern der DecimE. Er hatte sich auch zeitweise als Mitglied bei den "Freunden Guter Musik Berlin" e.V. und dem "Kunstverein Giannozzo" engagiert.

Seine Veröffentlichungen zeigen Schwerpunkte in der Themenwahl und auch der Auftraggeber (genannt seien die Akademie der Künste Berlin, das Festival INVENTIONEN und deren Veranstalter TU Berlin, DAAD und Akademie). Neben seiner Forschungsarbeit für das Werk von Bernd Alois Zimmermann fallen noch die Namen der Komponisten Max Reger und Paul Hindemith auf. Daneben steht eine sehr umfangreiche Publikation über Elektroakustische Musik und in den letzten Jahren damit verbundene Gedanken allgemein zur zeitgenössischen Musik in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Zunehmend kritisch, aber niemals verachtend oder nur polemisch, hat sich Ebbeke mit allgemeinen, philosophischen Fragen zum deutschen Musikleben beschäftigt und hat damit seine Zunft politisch herausgefordert (manches mußte als Provokation und Anmaßung aufgefaßt werden, manches war dialektisch gemeint). Mit sachlich - kritischer Stimme hätte er sicherlich noch zur kultur¬politischen Diskussion über deutsche („Provinz“!) Musikgeschichte hier und dort und nach und vor beigetragen.

Folkmar Hein, November 1992