Matthew Barney "Cremaster"

1967 in San Francisco geboren, wuchs Matthew Barney in Idaho, nahe der Grenze zu Utah auf. Er träumte von einer Football-Karriere und stählte seinen Körper mit Bodybuilding, war für die Collge-Liga jedoch zu klein. Nachdem er zunächst zwei Semester Medizin studiert hatte, entschied er sich schließlich für ein Kunststudium an der Yale-Universität. Er jobbte als Fotomodell, um seine Ausbildung zu finanzieren. Die wiederholten Allusionen zur Welt des Sports und der Medizin in Barneys "Cremaster"-Zyklus bezeugen den autobiografischen Kontext seiner Arbeiten.

1991 sorgte er mit einer Performance in New York erstmals für Furore. Im selben Jahr hatte er seine erste Einzelausstellung im Museum of Modern Art in San Francisco. Es folgte sein Debüt auf der Documenta 9 sowie Teilnahmen bei der Biennale in Venedig und der New Yorker "Whitney Biennale". 1996 wurde er mit dem Hugo-Boss-Preis des Guggenheim Museums in New York ausgezeichnet.

Er ist ein Superstar der Kunstszene, der Performancekünstler, Bildhauer und Filmemacher Matthew Barney. 1991 betrat er die New Yorker Kunstbühne. Damals erklomm er nackt die Wände einer Galerie. Bereits ein Jahr später debütierte er 25-jährig bei der Documenta 9 in Kassel und war 1993 Gast der Biennale in Venedig. Seither gehört er zu den international exponiertesten und erfolgreichsten Künstlern. Die "New York Times" etwa kürte ihn zum "wichtigsten Künstler seiner Generation".

Mit seiner jetzt vollendeten monumentalen "Cremaster"-Pentalogie schuf Matthew Barney eine ebenso bizarre wie faszinierende filmische Großskulptur, die sich aus exzentrischen Visionen und autobiografischen Verwandlungen speist. Barney begreift den menschlichen Körper zugleich als biologisches Instrument und skulpurales Werkzeug und spielt lustvoll mit der Frage nach der Konstruktion menschlicher Identität. In immer neuen Variationen umkreist er die Themen Biologie, Geschlecht und Körper, bedient sich dabei beim Horrorfilm ebenso wie in der antiken Mythologie. Stets ist der Künstler, den die "Neue Zürcher Zeitung" einen "postfreudianischen Narziss" nannte, selbst Akteur in seinen mal schreiend komischen, mal düster beklemmenden Inszenierungen. Er kämpfte sich durch das Vaseline-Modell eines Geburtskanals, ließ mit Seidenbändern befestigte Tauben um sein gummiertes Geschlecht flattern, schlüpfte in die Rolle des Doppelmörders Gary Gilmore oder in die des Satyrn "Loughton Candidate".

Bei aller hypnotischen Faszination, die Barneys grellbuntes Universum mit seinen Mutanten, Feen und Fabelwesen jenseits der Geschlechter ausübt, bleiben seine Werke stets hermetisch, entziehen sich in ihrer überbordenden Ikonografie schlichten Interpretationsansätzen.

Mit "The Cremaster Cycle. Matthew Barney - Skulpturen und Filme" eröffnet am 6. Juni 2002 im Kölner Museum Ludwig die erste umfassende Werkschau des amerikanischen Künstlers in Deutschland, die anschließend im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris und im Solomon R. Guggenheim Museum New York zu sehen sein wird. Höhepunkt der Ausstellung ist die Europapremiere von "Cremaster 3", dem letzten Film der Reihe. Daneben werden Barneys vorzugsweise aus Vaseline, Wachs, Silikon und Honig geschaffene Skulpturen und Environments sowie Fotografien und Zeichnungen aus dem Kontext des "Cremaster"-Zyklus präsentiert. Ursprünglich hatte die von Nancy Spector kuratierte Schau im New Yorker Guggenheim Premiere haben sollen. Doch das in die Krise geratene Museum musste wegen finanzieller Probleme absagen.

Der "Cremaster"-Zyklus
1994 begann der amerikanische Avantgardekünstler die fünfteilige Reihe der "Cremaster"-Filme, die in ihrer Entstehung freilich nicht dem Prinzip der Serie folgte: Zunächst vollendete er 1994 Teil 4, ein Jahr später Teil 1, sodann 1997 Teil 5, 1999 Teil 2 und jetzt schließlich den dritten und letzten Teil. Dabei konnte Barney für seine Filme prominente Akteure gewinnen: Während in "Cremaster 5" das "Bond-Girl" Ursula Andress die "Königin der Ketten" gab, spielte der Schriftsteller Norman Mailer in dem um die Geschichte des Doppelmörders Gary Gilmore kreisenden "Cremaster 2" den Entfesselungskünstler Harry Houdini.

Bereits im Titel des Zyklus klingt die sexuelle Metaphorik an, die Barneys Arbeiten durchziehen: Cremaster heißt der Muskel, der die Hoden je nach Außentemperatur hebt und senkt. "Meine Projekte haben immer mit Begehren zu tun", sagt der Künstler. "Sexuelle Begierde hat großes Potenzial, doch in ihrer Rohform ist sie absolut nutzlos. Ich versuche die rohe sexuelle Kraft durch Disziplin in produktive Energie zu verwandeln."

Aus :Der Bilderkosmos eines Mythen-Fabrikanten: Das surreale Gesamtkunstwerk des Matthew Barney zwischen Glamour und Größenwahn im Kölner Museum Ludwig Autor: Andreas Ammer


weitere Infos unter:
http://www.cremaster.net
http://www.jonathanbepler.com