Programmnotizen zur CD / About the CD
DAAD 206-1
beigelegt zum Buch "Musik als Ars scientia"


Track 1.

Daniel Teruggi Spaces of Mind (2004)  13:14 (Ausschnit von insgesamt 18 Minuten)

Stereofassung der achtkanalige Elektroakustische Komposition / electroacoustic composition

Studio: INA-GRM Paris

Jedes Wesen hat seine eigene Wahrnehmung des Raumes. Raum ist ein offenes Konzept mit verschiedenen Bedeutungen in unterschiedlichen Situationen. In der Musik existieren drei Ebenen des Raumes: der Raum der Klänge selbst, der Raum der Klänge innerhalb der Komposition sowie der Raum, in dem sich die Klänge entfalten, wenn wir sie hören. Aber wir befinden uns zudem in einem künstlerischen Bereich, der unsere Gefühle und Eindrücke anspricht. Da wir die Herkunft der Klänge, die wir hören, nicht kennen, und diese Klänge in einer Musik organisiert sind, die unserem Bewusstsein gilt, kommt noch eine vierte Ebene ins Spiel, in der wir eigene Welten durch unsere Imagination kreieren. Spaces of Mind befindet sich in diesen Welten, die durch die räumliche Anordnung der Klänge angedeutet werden. Es geht weder um den "Ursprung des Raums" noch um "Untersuchung des Raums", sondern darum, wie die Disposition des Raumes "Visionen" in unserem Bewusstsein erzeugt, wie wir Bewegung, die Vielzahl der Quellen, diskrete Positionen und die Tatsache, dass wir völlig von Klängen in ihren Räumen umgeben sind, erleben.

Every being has its own perception of space; it is an open concept, with different meanings in different situations. In music, there are three levels of space: the space of sounds themselves, the space of sounds in the composition and the space in which the sounds evolve when we listen. But we are in an artistic domain, which addresses to our feelings and impressions, and since you do not know the origin of the sounds you are listening to, and these sounds are organised in music that is meant for our mind, then I should say there is a forth level, in which we create worlds through our imagination. Spaces of Mind dwells with these worlds, which are strongly suggested by the spatial organisation of sounds. It is not "The Origin of Spaces" or "Studies on Space", it is the way the organization of space will produce "visions" in our minds and how we experience movement, multiplicity of sources, very discreet positions and the fact of being completely surrounded by sounds in their space.


Track 2.

Hans Tutschku rojo (2004)                   15:08

Stereofassung der achtkanalige Elektroakustische Komposition / electroacoustic composition

Studio: KlangProjekteWeimar

rojo spielt mit der Vorstellung der Gleichzeitigkeit unterschiedlichster, über den Erdball verstreuter Klangphänomene. Die Komposition verbindet Aufnahmen verschiedener Kulturen in einem "tiefroten" Klangritual. Erinnerungsfetzen verschiedener Reisen verschmelzen und wechseln ihre Identität, verlassen ihre Erkennbarkeit und werden zu Klangmassen – andere behalten ihre solistischen Eigenschaften und markieren Orte und Zeit. Rojo entstand im Auftrag des rbb (Rundfunk Berlin Brandenburg)  für das UltraSchall Festival 2005; Rojo ist Jonty Harrison gewidmet.

Rojo plays with the imagination of simultaneous musical activities throughout the world. Recorded memories from several trips combine and exchange their qualities. Sometimes they change into huge sound masses, and occasionally their original environment is preserved. The composition creates an imaginary ritual, surrounding the listeners, in which many sources meet and play together. Rojo was commissioned by Rundfunk Berlin Brandenburg (UltraSchall Festival 2005) and is dedicated to Jonty Harrison.


Track 3.

Kees Tazelaar Phalanxes (2005)               20:02

Stereofassung der siebenkanalige Elektroakustische Komposition / electroacoustic composition

Studio: Sonologie Den Haag

Das Klangmaterial meiner Komposition Phalanxes wurde ausschlie§lich synthetisch produziert und besteht aus vierspurigen Aufnahmen einer Schaltung im spannungsgesteuerten Studio des Instituut voor Sonologie. Anschließend wurde dieses Ausgangsmaterial der Komposition einer Reihe von systematischen Klangtransformationen unterworfen. Eine Baumstruktur visualisiert diese Transformationen und bildet gleichzeitig die Basis für die Entfaltung dieser Klänge innerhalb einer bestimmten Zeitstruktur. In Phalanxes besteht das Quellenmaterial aus einer Gruppe von Texturen mit gleicher Klangfarbe, aber sehr unterschiedlichem Verhalten. Regelmäßige rhythmische Geräusch-Impuls-Muster nehmen an Lautheit zu und ab; sie verändern ihre Geschwindigkeit und ihre Klangfarbe mit jeder neuen Hüllkurve. Durch das Übereinanderlegen dieser Muster im ersten Abschnitt des Stückes entsteht eine Art Landschaft mit einer sehr hohen Klangimpuls-Dichte. Nach und nach wird die Regelmäßigkeit dieser Muster zerstört und es ergeben sich neue, sehr viel organischer wirkende Gesten. Während die erste Hälfte des Stückes insgesamt geräuschhaft wirkt, verleihe ich den Klängen im zweiten Teil Tonhöhenanteile durch den Einsatz von Resonanzfiltern. Allmählich zerfallen diese Gesten zu einzelnen, kleinen Klangereignissen. Gegen Ende wird die Regelmäßigkeit des Anfangs wieder hergestellt, indem kurze Abschnitte früherer Formteile geloopt werden. Phalanxes entstand im Auftrag des "Fonds voor de Scheppende Toonkunst".

The sound material of Phalanxes is completely synthetically produced. The source material consists of recorded quadraphonic results from a patch in the voltage controlled studio of the Instituut voor Sonologie. Subsequently this source material for the composition is systematically exposed to a number of sound transformations. A tree structure then visualises the transformations that all sound materials have been exposed to, and at the same time forms the basis for the way these materials enfold in a time structure. In Phalanxes the source material is a group of structures with identical timbres but with different behaviours. Regular rhythmical patterns of noise impulses are increasing and decreasing in loudness, changing speed and colour with every new envelope. By superimposing such patterns in the first part of the piece, a kind of landscape is created with very high densities of sound events. Gradually the regularity of the patterns is destroyed, and new gestures of a much more organic nature emerge. While the first half of the piece is in general 'noisy', in the second half the sounds are given a pitched character by using resonance filters. Gradually the gestures are decomposed into single small sound events, and towards the end of the piece the regularity of the beginning is re-introduced by looping small parts of larger previous forms. Phalanxes was commissioned by the Fonds voor de Scheppende Toonkunst.


Track 4.

Trevor Wishart The Division of Labour (2001)     18:02

15 Variations on a theme of Adam Smith with the voice of Alex Gordon

Stereofone Elektroakustische Komposition / electroacoustic composition

Studio: Privatstudio des Komponisten

"Ein einzelner Arbeiter, der nicht dafür ausgebildet wurde, könnte pro Tag höchstens eine Stecknadel herstellen. Doch wenn mehrere Arbeiter zusammenwirken: einer zieht den Draht, ein anderer streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter spitzt ihn zu und ein fünfter schleift das obere Ende. Die Herstellung des Kopfes erfordert drei getrennte Arbeitsgänge. Das Ansetzen des Kopfes ist eine eigene Tätigkeit, ebenso das Weißglühen der Nadel. Um eine Stecknadel anzufertigen, sind achtzehn verschiedene Arbeitsschritte notwendig, und mehrere Arbeiter sind in der Lage, 48000 Stecknadeln pro Tag zu produzieren." (Adam Smith Der Wohlstand der Nationen, 1776)

Die Auslegung eines heiligen Textes:
Menschliche Leben werden zu Instrumenten eines spektakulären Materialismus.

Die 15 Variationen tragen folgende Titel:
1. Behauptung, 2. Imitation, 3. Lied ohne Worte, 4.
Inflation, 5. Hocket, 6. Chor, 7. Sprenkel, 8. Wort-Tanz I, 9. Kompression, 10. Wort-Tanz II, 11. Störungen, 12. Falsche Darstellung, 13. Geläut ..., 14. ... Stimmengewirr, 15. Spur

"A workman not educated to the business could scarce make one pin a day. But one man draws out the wire, another straightens it, a third cuts it, a fourth points it, a fifth grinds it at the top. The head requires three distinct operations. To put it on is a peculiar business, to whiten the pins another. In this manner, making a pin is divided into eighteen distinct operations, and those persons can make fortyeight thousand pins a day." (Adam Smith: The Wealth of Nations, 1776)

Hermeneutics of a sacred text: human lives become the instruments of a spectacular materialism.

The 15 Variations have the titles: 1. Statement 2. Imitation 3. Song without words 4. Inflation 5. Hocket 6. Chorus 7. Flecks 8. Word dance I 9. Compression 10. Word dance II 11. Perturbations 12. Misstatement 13. Liquidation/Toll ... 14. ... Hubbub 15. Trace


Tracks 5-7.

Gottfried Michael Koenig Beitrag (1985/86) für Orchester             

Track 5.             Beitrag 2             04:14

Track 6.             Beitrag 4             04:05

Track 7.             Beitrag 6             04:50


Konzertmitschnitt mit dem Residentie Orkest unter der Leitung von Stephen Harrap,
20.10.1986, Arnold Schoenberg Hall, Royal Conservatory Den Haag.
Dank an Tonos Musikverlag GmbH, Darmstadt.

"Beitrag ist mein Beitrag zur diesjährigen Internationalen Computermusikkonferenz (ICMC). Im Gegensatz zu den meisten Werken, die bei einer solchen Gelegenheit aufgeführt werden, handelt es sich hier um ein reines Instrumentalwerk, das mit Hilfe eines Komponierprogrammes (in diesem Fall Projekt 1) komponiert wurde. Die sieben Sätze des Werks sind das Ergebnis systematischer Variationen der Eingabedaten, die sich hauptsächlich auf die Zeitstruktur beziehen. Die Ausgabedaten beschreiben die wichtigsten Beziehungen zwischen den musikalischen Parametern, ergänzt von Zusatzentscheidungen während der Ausarbeitung der Partitur. Die zusätzlichen Entscheidungen wurden im Geist und mit den Mitteln der Ausgabedaten getroffen unter Heranziehung des Zahlenmaterials, das die globale Parameterstrategie determiniert hatte."

"Beitrag" is German for "contribution" and is mine to this year's ICMC. Unlike most pieces heard at this kind of conference, Beitrag is a purely instrumental piece, generated entirely by a composing program, in this case my Project 1. The piece's seven movements result from the systematic variation of the input data which are mainly responsible for the time structure. The output data describe the principal relationships between the musical parameters, and had to be supplemented by additional decisions during transcription into the score. I made these additional decisions in accordance with and by means of the output data, chiefly using the numeric material which determines the global parameter strategy.

Live-recording. Thanks to Tonos Musikverlag GmbH, Darmstadt.